Mittwoch, 29. Februar 2012

Geisterpartizip




Es war ein schwärmerischer Geist
verliebt in eine Geistin.
Ihr Leintuch war so unverschleißt,
auch war genug an Weiß drin.

Das Partizip – das zweite – heißt
korrekt jedoch verschlissen.
Grammatik aber lässt ein Geist
beim Turteln oft vermissen.

Doch tut dies winzige Detail
der Liebe keinen Abbruch,
treibt nicht den kleinsten Spaltungskeil
ins Herz von Lein- und Grabtuch.


Nebelvorhang

Zarte Nebel ziehen, schweben,
trüben kaum die freie Sicht,
lassen schon die Ahnung leben
auf erbet'nes Mittagslicht.

Keine Schwadenhexen brauen,
Elfenschleier wehen her,
muntern auf, den Lenz zu schauen,
Himmelblau wird mehr und mehr.

Farben mischen sich ins Graue,
junges Wiesengras erfrischt.
Für die Bienen haben blaue
Blümchen sorgsam aufgetischt.

Wie im großen Schauspielhause
hebt der Vorhang sich, das Spiel
hebt nun an, nach langer Pause
neues Drama, neuer Stil.

Montag, 27. Februar 2012

Kikeriki



Mit hörbar mäßigem Geschick
kräht Junghahn Kock sein erstes Kik.
Am nächsten Tag, da klingt es schicker,
er ruft - nun selbstbewusster - Kiker.
Das End‘ der Pubertät im Blick
verhilft ihm dann zum Kikerik
und irgendwann und irgendwie
gelingt ihm auch das Endungs-i.


Skorbut der Nachtigall


Von Würmchen, Larven, Raupen, Spinnen
ernährt sich eine Nachtigall.
Die Nahrung schmeckt, doch hat sie innen
kein Vitamin im Regelfall.

Insekten mangelt es am meisten
an Ascorbin, bekannt als C.
So tun des Vogels Schnabelleisten
beim Liederschlagen schrecklich weh.

Das Tier singt seine Serenaden
im Dunkeln, denn es schämt sich so.
Verheerend wirkt der Mangelschaden,
drum bleibt es gern inkognito.

Die Drossel leidet nicht so kläglich,
sie mehrt ihr Nahrungskonvolut.
Zitronenfalter frisst sie täglich
und leidet niemals an Skorbut.


Sonntag, 26. Februar 2012

Die Farbe des Farblosen


Auf jegliche Farbe verzichtet der Morgen
trotz strahlender Sonne zum Ende des Febers,
des sonst schon so willigen, selbstlosen Gebers
von kribbelnder Ahnung auf buntfrohe Zeiten.
Gestört scheint das langsame, schrittweise Gleiten
heraus aus der Frostherrschaft grauschwarzer Sorgen.

Der Tag jedoch liefert nur weiße Geschenke
dem Auge, dem wundernden, offenen Staunen.
Er lässt noch die Schneegeister Reifmärchen raunen,
beträufelt mit Zuckerguss nadlige Bäume,
verwebt die Kristalle in Elfenbeinsäume,
sodass man noch lange des Winters gedenke.  

Holzballett im Schnee



Da schwebt sie voller Anmut hin,
ein Schatten, frei von Erdenschwere.
Der Holzschnitt zeigt die Tänzerin,
als ob sie seelentragend wäre.

Mit Tanzgeschwistern dreht sie sich
grazil in virtuellem Reigen.
Wie kann denn nur der Säge Stich
solch wahre Lebensfreude zeigen?

So mancher Wandrer staunt nur, wie
das Holzballett im Schnee begeistert.
Der Künstler hat die Harmonie
im Ausdruck einfühlsam gemeistert.





Freitag, 24. Februar 2012

Kneippkur der Flamingos



Pfarrer Kneipp, Prophet des Tretens
seichten Wassers, kalt und pur,
bringt dank inniglichen Betens
auch Flamingos zu der Kur.

Diese stapfen viele Stunden
wadentief im kühlen Teich,
drehen hundertzwanzig Runden,
langsam wird die Hornhaut weich.

Immerhin, man muss nicht schwitzen,
selbst im späten Juli nie.
Auch verkrampfen nie Varizen
beim Flamingofedervieh.



Kunstschmied (meinem Schwiegervater gewidmet)






Eifrig geht der Schmied zu Werke.
Eisenstäbe jeder Stärke
stehen fertig zum Gebrauch,
Hammer, Essenfeuer auch.

Blasebälge fauchen heftig,
starke Hände wenden kräftig
hartes Eisen in der Glut
schmelzend heißer Funkenflut.

Ambossmeißel, Schmiedezangen
schürfen, kneifen an den langen
Stäben, kürzen, biegen sie
langsam zeigt sich Harmonie.

Herzen, Blätter und Rosetten,
Lanzenformen, Kugelketten,
kühne Schwünge, eng vernetzt
Ebenmaß ins Werk gesetzt.

Fertig ist das Gitter, Schatten
wirft es noch in vornehm matten
Strichen aus der Sonne Kraft.
Zweifachkunst, die Freude schafft.




Donnerstag, 23. Februar 2012

Mangelndes Interesse an Babylons Königen


Die Worterklärung „Menetekel“
verfolgt der alte Rauhaardackel
mit lustvoll gähnendem Geräkel
und freundschaftlichem Schwanzgewackel.

Jerusalem und Daniel
sind flachhundmäßig exaltiert.
Leicht möglich, dass den Spaniel
die Omendeutung int’ressiert.


Volver und Spekt



Statt Hörnern streckt das scheue Reh
zwei blanke Knochen in die Höh,
sofern es jede Scham vermisst
und demzufolge männlich ist.

Ich mag den Bock, die Ricke nicht,
der Kleinhirsch ist mir allzu schlicht.
So meide ich – man sagt, der spinnt –
ein Wort, das frech mit Re- beginnt.

Ich sage Torte, Kurs, Aktion,
ein Re- davor verstört mich schon.
Erwähne ich ganz zwanglos „Chen“
wird mancher dieses nicht verstehn.

Doch „Rechen“ spreche ich nicht aus,
ich geh bei „Gen“ nicht aus dem Haus,
komm freilich schwer zu cht damit,
doch ut mich niemals dieser Schritt.


Kleiner Fehler



Der Luchs, die schöne Fellfleckkatze,
ein Waldgespenst auf leiser Tatze,
der Mischwaldleopard, der scheue,
begeistert nicht nur mich, ich freue
- das will ich gerne hier gestehn -
mich immer wieder ihn zu sehn.
Doch zur perfekten Eleganz,
da fehlt ihm doch ein Stückchen Schwanz.